Bettina Schack berichtet in der WAZ über das 3. Shanty-Chor-Festival in Dinslaken, bei dem auch Brasy und die Young’uns zu Gast waren (online am 27.08.2012):
Beim 3. Shanty Chor-Festival Dinslaken legten Gruppen aus dem In- und Ausland am Altmarkt an. Männer mit bärigen Stimmen sangen zu Schifferklavier und vielleicht auch Banjo oder Gitarre Lieder von der See. Und ließen sich – natürlich – vom feuchten Wetter nicht beeindrucken.
Eine „steife Brise“ weht und das Wasser klatscht von allen Seiten. Seemannswetter, englisch-trüb. Stilecht so weit, wenn auch das dritte Shanty-Chor-Festival in Dinslaken so furchtbar stilecht hätte ausfallen müssen. Aber die Sänger – und vor allem auch das Publikum – ließen sich die Stimmung im Rahmen der Din-Tage nicht verderben. Schließlich wurde man innerlich von so manchem zu Herzen gehenden Seemannslied erwärmt. Und – auch das gehört dazu wie die Texte von Wind und Wellen – all die Fässer Rum, die in den traditionellen Liedern besungen werden, können eine Landratte schon vom bloßen Zuhören beschwipst machen. „Es trinken die Matrosen / von allen Spirituosen / am liebsten Rum – Fallera“. Wer so was reimt, singt und hört, dem sind ein paar Wassertropfen aufs Haupt egal.
Zum dritten Mal also wurde der Altmarkt zum Hafen für Shanty-Chöre aus dem In- und Ausland. Gastgeber war wie immer der Shanty-Chor-Hiesfeld, der es bei keiner seiner Törns zu anderen Festivals versäumt, Kontakte zu anderen Gruppen zu knüpfen und zu pflegen. So legten nicht nur die Beckedorfer Schifferkonten aus Schwanewede einmal mehr in Dinslaken an, auch für die fünf ausgebildeten Sänger von Brasy aus Polen ist der Ausflug zum Rotbach längst ein Besuch bei Freunden geworden.
So kennt und liebt man sie: Männer mit bärigen Stimmen singen zu Schifferklavier und vielleicht auch Banjo oder Gitarre Lieder von der See. Das Bild ist in Dinslaken mit einem dieser unlösbaren Schifferknoten mit dem Hiesfelder Shanty-Chor verknüpft. Seit zehn Jahren gehört er in die hiesige Chorlandschaft wie die Möwen auf die Bohlen, die Beckedorfer Schifferknoten, der Seemanns-Chor Vegesack aus Bremen, der Chor der Marinekameradschaft Mülheim a. d. Ruhr „Kormoran“ und der preisgekrönte Shantychor des Segelclubs Bayer Uerdingen, dessen Leiter und Vorsänger das Publikum immer wieder zum Mitsingen animierte, treten in vergleichbarer Besetzung auf.
Brasy aus Polen und The Young’uns aus England fallen da aus dem Rahmen. Sie sind sehr jung, die Briten noch in ihren Zwanzigern, ihr Repertoire kategorisiert Shanties und Seelieder eindeutig in der Sparte Folk. Sie sind keine großen Chöre, sondern kleine, flexible Vokalensembles mit großen Stimmen, die a cappella die alten Melodien in anspruchsvolle Liedsätze kleiden. Und das in einer mitreißenden, begeisternden Art voller Harmonie, Stilsicherheit und Rhythmusgefühl.
Gänsehaut-Feeling
Die ausgebildeten, dunklen Stimmen der fünf Sänger von Brasy sorgen für Gänsehaut-Feeling. Egal, ob sie die „Wolgaschiffer“ als „russischen Shanty“ anstimmen, schottische Folksongs singen, „Yellow Submarine“ als eindeutiges Seestück identifizieren oder den „Drunken sailor“ zu einem berauschenden Erlebnis an Vokalartistik machen.
Apropos: Die Young’uns Sean, Michael und David aus dem gespensterreichen englischen Fischerstädtchen Hartlepool hat Thomas Baumann, Leiter des Shanty Chors Hiesfeld, beim Biertrinken auf dem Festival Maritim kennengelernt. Die drei Briten schlugen in diesem Sommer weitere Festivalangebote auf dem Kontinent aus und traten exklusiv in Dinslaken auf. Ein Hörgenuss mit technischen Finessen, die Shanty, Folk und Spiritual mit komplexen glissandi-Effekten und einer gehörigen Portion englischen Folkgesang bereicherten.
„Sach ma Dinslaken, wie isset“, begrüßte David dann auch das Publikum auf dem Altmarkt stilecht ortsverbunden rustikal. Bestens! Und wenn dann noch gemeinsame Sache gemacht wird. Kaum hatte der Shanty Chor Hiesfeld das Programm mit seinem zweiten Auftritt offiziell beendet, taten sich The Young’uns, Brasy und Pont Neuf zu einem spontanen Folker-Trio zusammen.